Ein seltenes und im vornherein stark begehrtes Ereignis stand bevor: Das ASK Motorseminar in Kiel. Ein Ereignis, das nicht nur durch seine viele Kilometern geprägt wurde, sondern auch durch seinen für Segler untypischen Charakter: Es wurde nur Bus gefahren, in KM gerechnet, von Motoren, Zylindern und hydraulischen Stößelbechern gesprochen, statt von Trimm, Krängung und Kursen zum Wind. Diese Dinge hatten wir kaum vermisst, denn ein lehrreiches und kurzweiliges Wochenende stand bevor, das für alle erst spät am Sonntagabend endete.

Sieben der 15 Kursteilnehmer sind mittels Stadtmobil von der Oststadt angereist. Einige im privaten PKW, einige vertrauten der Deutschen Bahn die Anfahrt an. Mutig, aber in diesem Fall erfolgreich.
Im Stadtmobile Bus war vor allem der hohe Blutzuckerspiegel der Insassen auffällig, den ein Mitfahrer stetig und selbstlos mit mitgebrachten Snacks hoch hielt. Vielleicht ist er gewohnt, vor längeren Etappen nochmal gut zu essen, oder vielleicht wurde er daheim auf Diät gesetzt. Gut versorgt kamen wir voran. Kaum ein Moment standen die Räder still. Selbst der Hamburger Elbtunnel konnte am Freitagabend unserer VMG (Velocity Made Good) kaum schaden.

So verschieden die Vehikel bei der Anreise waren, so einig waren wir uns in der Unterkunft: Das ehemalige Olympiazentrum in Kiel sollte es sein. Austragungsort der Wassersportarten der Olympischen Spiele von 1972, veranstaltet in München. Man konnte nicht meckern. Die Unterkunft war solide und einfach gehalten. Klar, mehr Herberge als Hotel, aber der geringere Service war nicht zu beklagen, denn er tat unseren Geldbeuteln gut. Spät und etwas müde, kamen wir dort an und bezogen unsere Zimmer. Der Abend war, wie die meisten Teilnehmer, nicht mehr der Jüngste und man ging recht zeitig zu Bett - das könnte auch an der minimalen Getränkeversorgung liegen, auf die sich kaum jemand vorbereitet hatte.

Am nächsten Morgen klingelte der Wecker und alle schlürften in den Speisesaal. Auch hier ein vernünftiges Angebot bei guten Preisen.

Danach ging es zu unserem Veranstaltungsort. Adresse: "Volvo Penta Central Europe GmbH" ebenfalls in Kiel. Der verheißungsvolle Name sollte uns nicht enttäuschen. Dort angekommen, empfing uns ein Pensionär. Vom Äußeren eher unterdurchschnittlich groß, aber überdurchschnittlich freundlich. Peter, seines Zeichens "Bootsgutachter" und ehemaliger Serviceleiter bei Volvo.

Der kleine Seminarraum war angefüllt von Wunderwerken der Technik, Motoren, Zylinder, Antriebe, Impeller, Schiffsschrauben usw. All das konnten wir in der ersten Pause zu Genüge begutachten. Bis dahin folgten wir interessiert Peter's Worten. Manchen fiel das leichter als anderen. Denn, bereits das erste Thema setzte ein gewisses Grundwissen voraus, welches nicht jeder mitbrachte. Die Atmosphäre war so freundlich, dass jede Frage erlaubt war und die unterschiedlichen Anfangsbedingungen schnell ausgeglichen wurden. Spätestens in der 1. Pause beim Hantieren mit den Modellen, konnten die wesentlichen Züge des Motors verstanden werden. Insbesondere ein älterer ca. 15 PS starker 2 Takt 2 Zylinder Außenborder ließ durch das aufgesägte Gehäuse in sein Inneres blicken und sorgte für einige AHAs.

Es war immer noch möglich, den Vorwärts-, Neutral- und Rückwärts Gang einzulegen, den Bowdenzug des Gashahn zu den sich bewegenden Lamellen des Vergasers zu verfolgen, die Kompression der Zylinder mittels manuellem Drehen an dem Schwungrad zu beobachten und selbst das Umschalten im Getriebe tief unten in der Antriebswelle konnten wir gut sehen. Dem Autor sei vergeben, wenn er nicht mehr alle Fachwörter alle Motorteile kennt. Bei jeder Pause teilten sich die Teilnehmer je nach Interesse auf und untersuchten verschiedene Ausstellungsstücke. Peter war stark begehrt, denn er konnte alle Fragen fachmännisch beantworten. Im Nachbarraum war eine kleine Werkstatt eingerichtet, mit allerhand Zubehör und Werkzeug auf hohem Niveau. Mitten drin, 2 Volvo Penta 4-Takt Dieselmotoren. Einer mit drei, einer mit vier Zylindern. Die Theorieeinheiten am ersten Tag wurden hier durch Veranschaulichung ergänzt. Leider waren die Motoren nicht mehr betriebsbereit, aber das tat der Sache keinen Abbruch.

Zum Mittagessen am 1. Seminartag führte uns Peter zu einem Imbiss, direkt am NOK. Der Anbau des Imbisses lag direkt am Wall vor der Schleuseneinfahrt. Hier bewegten sich während paniertem Fisch und Fritten haushohe Containerschiffe und andere Riesen.

Einer der Motoren des Seminars wurde etwas unfreiwillig von einem Landwirt gesponsert. Der Landwirt legte sich eine Segelyacht zu, und, vermeintlich versiert in der Pflege von Maschinen, führte er dem Schiffsdiesel dasselbe Schmieröl wie seinen Landmaschinen zu. Was sich auf dem Acker bewährt, sollte auf dem Wasser durch herumschießende Pleuel- und Kolbenteile mit einem faustgroßen Loch in der Motorwand enden.

Des Bauers Leid, des Workshops Freud, hatten die Seminarbesucher einen sonst neuen Motor zum Begutachten und schrauben dazu "gewonnen". Diese und andere Geschichten aus dem Erfahrungsschatz vieler Jahre als Sachverständiger konnte Peter beitragen. Das peppte das ohnehin spannende Seminar weiter auf, und war den Teilnehmern in manchen Fällen eine Lehre.

Zum Abendessen teilten wir uns für eine Weile, denn einige wollten das Marinedenkmal Laboe inklusive U-Boot besichtigen und dann in die Stadt zum Essen. Der etwas größere Teil der Teilnehmer ging in das etwas abschreckend klingende El-Mövenschiss zum Essen und Absacken.

Das Essen dort, sowohl in Qualität als auch Menge, war hervorragend. Eine kleine Ausnahme war der gewöhnungsbedürftige namensgebende "Mövenschiss", der ähnlich wie Tequila-Salz-Zitrone war: 1 Schnapsglas Obstler (die Fruchtsorte war bei der hohen ekelbedingten Sturzgeschwindigkeit nicht zu erkennen), mit einer Scheibe Salami, die dick mit Meerrettich eingestrichen war. Das ist der Möwenschiss. Leider herrschte keine Klarheit, wie man diese fragwürdige Gaumen-Regatta bestritt bzw. diesen kulinarischen Fehltritt möglichst reibungsfrei an den Geschmacksknospen vorbei katapultiert.
Das wusste selbst die Kellnerin nicht genau, die ohnehin etwas überrascht war. Vielleicht handelt es sich beim "Möwenschiss" um einen Platzhalter auf der Restaurant-Karte, der etwaige Fragen zur Restaurantbezeichnung entgegen soll, oder schlicht um eine Tourifalle, der Einheimische und Kenner nicht auf den Leim gehen. So oder so, dieses Restaurant lohnt einen weiteren Besuch und nicht nur, um im Namensfall endlich Klarheit zu schaffen.

Zurück in der Unterkunft hatten wir aus unseren Fehlern gelernt und für den zweiten Abend mehr Getränke besorgt. Der Abend verlief feucht fröhlich und beengt in einem einzelnen Gästezimmer - gedacht für 2 Personen.

Der letzte Tag war anfangs ähnlich dem vorigen. Frühstück in der Unterkunft. Fahrt zum Seminarort und anschließend Theorie. Die Einheit fiel etwas kürzer aus, denn wir waren alle heiß auf das Schrauben am Motor. Die Teilnehmer wurden in 2 Gruppen aufgeteilt, und jede Gruppe hat einen der zwei Dieselmotor bekommen. Die Aufgabe: Zylinderkopfdichtung tauschen. Das ist das Maximum, was man unter gewissen Voraussetzungen noch selbst und fernab jeder Zivilisation machen kann. Es setzt einiges an Ersatzmaterial (Dichtungen), Wissen, Handbücher (Reihenfolge der Schrauben und deren Drehmomente) und insbesondere Werkzeug (schmalwandig) voraus, dass man erst mal haben muss. Nicht zu unterschätzten ist auch die nötige Akribie. Denn jede Schraube, muss an ihren ursprünglichen Ort. Selbst, wenn die Schrauben bei der Herstellung dieselben waren, so ist die Abnutzung und Einpassung individuell.

Im Endeffekt macht das Manöver wirklich Spaß und man lernt viel dazu, aber es ernüchtert die Vorstellung, diese Aufgabe, bei einem eingebauten Motor, mit wenig Platz, selbst ohne Welle, in Eigenarbeit zu tun.

Das Ganze wird noch interessanter, wenn man bei den Motorteilen der "gegnerischen" Schrauber-Mannschaft einen beliebige herumliegende Schraube deponiert. Spätestens, wenn der Motor wieder montiert ist, treibt diese Schraube Schweiß auf die Stirn. Fazit: Auch Schrauben ist eine Art von Regatta.

Der Praxisteil wurde durch eine letzte Theorieeinheit ergänzt. Sie handelte von Antrieben, deren Dichtung, Blitzschutz. Auch hier gab Peter eine Anekdote zum Besten. Ein Segler verbaute einst einen kommerziellen Blitzschutz. Ein dickes Metallgeflecht, das den Blitz vom Masttop, über die Hülle, direkt ins in Wasser führen sollte. Die Idee ging in Flammen auf, als der Blitz einschlug und das glühende Metall die Außenhaut von der Fußreling bis zur Wasseroberfläche stark verdünnte oder gar durchtrennte. Glücklicherweise wurde der "Blitzschutz" nur auf einer Seite montiert. Sonst hätte der Segler zwei halbe Segelyachten mit eher bescheidenem Auftrieb produziert.

Am zweiten Seminartag fiel das Mittagessen aus bzw. wurde auf unterwegs verschoben, da alle den langen Heimweg antreten wollten. Auch dieser Fahrt war uns der Verkehrsgott 'Michelin' gnädig, und wir konnten ohne größere Probleme Kurs SSW fahren. Nur einmal musste uns 'Galileo', der Gott der Satellitennavigation, ein Stück Autobahn umfahren lassen.
Nach 22 Uhr kamen wir in Karlsruhe an.

Obwohl der einzige Wasserkontakt das Duschen war, ist dieses Wochenende für uns als Segler definitiv eine Investition in eine umfassende Seemannschaft und Ausbildung und nicht zuletzt ein erfolgreiches Seminar gewesen. Der Dank aller Teilnehmer gilt dem Organisator und dem Verein für diese Möglichkeit, Peter für das tolle und lehrreiche Seminar und der Kreuzer Abteilung des DSV die dieses Seminar in regelmäßigen Abständen organisiert und uns die Möglichkeit einräumte ein Seminar exklusiv für uns zu bekommen.

Datum: 09.11.18 - 11.11.18
Revier: Kiel
Skipper: -
Crewstärke: 15
Studentische Teilnehmer: 3
Start- & Zielhafen: Karlsruhe
Projektleiter: Thorsten Ries
Bericht: Claudio Grau